Wurkkos Taschenlampen

Skilhunt Taschenlampen

[Tutorial] Titan Anodisieren

Horus88

Erleuchteter
19 Dezember 2014
75
110
33
Hi zusammen,

da ich mich neulich gefühlt durch das halbe Internet gegoogelt habe wie man Titan anodisiert und vor allem im deutschsprachigen Raum nur wenige Infos gefunden habe, dachte ich mir ich teile meine Erfahrungen hier als eine Art Mini Tutorial mit euch. Primär geht es darum wie man Titan mit verhältnismäßig einfachen und günstigen Mitteln daheim selber Anodisieren kann.

Vorab: was ist Anodisierung?

Grob (ganz grob!) gesagt verändert man durch eine Elektrolyse die Oxidschicht auf dem Material was eine Farbgebung zur Folge hat – ohne in irgendeiner weiße Farbpigmente bei zu geben.
Je nach angelegter Spannung erhält man eine andere Farbe.
Hat man ein Werkstück bereits Anodisiert kann man die Farbe nur noch durch eine höhere Spannung ändern. Soll heißen: mit 18V hattet ihr ein Bronze Farbton, habt dann noch mal mit 27V Anodisiert und habt jetzt einen Blauton. Noch mal mit 18V Anodisieren bringt euch aber nicht zurück zu Bronze, sondern hat keine Wirkung. Wenn Ihr zurück wollt müsst ihr die Oberfläche schleifen oder ätzen.

Wer das ganze genauer wissen möchte, dem empfehle ich den Wikipedia Artikel dazu. >>Klick<<

Disclaimer: Das nachmachen geschieht auf eigene Gefahr, hier wird teilweise mit Chemikalien, Strom und Wasser hantiert. Bitte lasst vor allem gesunden Menschenverstand walten!

Was brauchen wir?
Eine „Einkaufsliste“ gibt es weiter unten.

Eine Stromquelle:

Als Stromquelle kann man ein Labornetzteil verwenden, je nach gewünschter Farbe werden Spannungen von bis zu ~120V benötigt. Eine günstige Alternative hierzu sind 9V Batterien, das ist auch der Weg für den ich mich entschieden habe. Ich habe 10 9V Batterien verwendet.


Elektrolysebad:

Hier scheiden sich die Geister was man benutzen muss/sollte. Von Cola über Backpulver bis Batteriesäure habe ich alles gelesen. Das Ergebnis ist aber nicht immer das gleiche. Mit Cola z.B. sollen die Farben nicht so kräftig werden. Mit Batteriesäure hingegen möchte ich daheim nur ungern herumpanschen. Ich habe mich für Trinatriumphosphat entschieden, das ist geruchlos, nicht ätzend und recht günstig zu beziehen.
Als Kathode bietet sich ein Stück Edelstahl an, ich habe einfach einen Löffel aus der Küche hergenommen.


Unser Werkstück:

Das Stück Titan das wir Anodisieren möchten, muss vor dem Elektrolysebad schon die Oberflächenstruktur haben die wir später auch haben wollen. Das heißt, aus einer rauen Sandblasted Oberfläche wird durch das Anodisieren keine glänzende Oberfläche und vice versa.
Des weiten muss das Werkstück vorher gründlich gereinigt werden. Alle Rückstände von Fett, z.B. an den Gewinden und Fingerabdrücke müssen entfernt werden. Das kann man mit vielen Mitteln erreichen. Isopropanol, Fensterreiniger oder was Ihr sonst hierfür geeignet haltet.
Im englisch sprachigen Raum wird quasi immer Whink Rust Stain Remover empfohlen. Das ist wie der Name schon sagt ein Mittel im Rostflecken zu entfernen. Das Mittel beinhaltet Flussäure, ist in Europa nicht zu beziehen und meines Erachtens auch völlig übers Ziel hinausgeschossen. Es wird auch verwendet um eine bestehende Anodisierung zu entfernen, als Alternative hierfür bleibt nur schleifen / polieren.


Also, was genau brauchen wir nun:

9V Batterien
Sehr schöne Bronze und dunkle Lila Töne kann man bereits mit zwei, bzw drei 9V Blöcken erreichen. Mit 4-6 Batterien gibt es diverse Blau töne und mit bis zu 10 9V Batterien bekommt man einen schönen Goldton. Darüber hinaus gibt es noch Pink und Grüntöne die ich mit meinen 10 Batterien jedoch nicht erreichen konnte.
Die Batterien kann man an ihren Konnektor einfach zusammen Klipsen und somit in Serie verschalten.

Krokodilklemmen
Ein Paar einfache Kabel mit Krokodilklemmen an beiden Enden um unsere Stromquelle mit dem Werkstück und der Kathode zu verbinden.

Kathode
Ein Stück Edelstahl – z.B. ein Löffel aus der Küche

Ein Behälter
Nicht zu groß, nicht zu klein. So das unser Werkstück hineinpasst, wir aber nicht die Kathode ausversehen berühren.

Destilliertes Wasser

Trinatriumphosphat
Ich habe 1-2 Teelöffel auf 1L Destilliertem Wasser verwendet.

Titandraht
Würden wir unser Werkstück an der Krokodilklemme direkt in das Elektrolysebad hängen, korrodiert uns diese weg. Um das zu vermeiden verwendet man ein Stück Titandraht, ich habe mich für 0,5mm Durchmesser entschieden.

Reinigungsmittel
Ich habe einen Industriereiniger genommen, Isopropanol oder handelsüblicher Glasreiniger tuns aber auch.

Handschuhe
Auch wenn wir in dem Fall nicht mit ätzenden Flüssigkeiten hantieren, es bringt nichts wenn wir unser Werkstück gründlich reinigen und es danach wieder mit bloßen Händen anfassen.

So schaut mein Aufbau aus:
dsc022844jiam.jpg


Der eigentliche Vorgang ist dann recht simpel. Ihr biegt euch aus dem Titandraht einen Haken an den ihr das Werkstück hängt. Den Haken kann man auch im Batterierohr festklemmen.

dsc022859kism.jpg


Euer Werkstück ist mit dem Plus-Pol der Stromquelle verbunden.
Anschließend haltet Ihr das Werkstück in das Bad ohne die Kathode zu berühren. Je nach Größe des Werkstücks dauert das Anodisieren unterschiedlich lange, der Bezelring meiner Emisar D4 Ti hat nur ~2-5 Sekunden gebraucht. Das Batterierohr hingegen habe ich mehrfach für 10 Sekunden in das Bad gehängt und ein wenig gedreht bis ich den gleichen Farbton hatte. Das drehen ist bei größeren Teilen wichtig, bei meinem ersten Versuch hatte ich eine Seite tief Lila, die andere Seite Bronze Farben.
Ich vermute, dass man diese Probleme mit einem Netzteil nicht hätte und hier die Batterien limitieren (nicht genug Ampere liefen).

Nach dem Anodiesieren sollte man das Titan abtrocknen, trocken wirken die Farben teilweise ganz anders.


Ich bin mit dem Ergebnis jedenfalls sehr zufrieden

dsc02286ysed0.jpg



Das war jetzt quasi das Basis Tutorial, wer weitere Ideenanstöße haben möchte, kann ja mal Überlegen wie man bei dem Prozess noch Nagellack oder einen Pinsel einsetzen könnte ;-)
 

Jinbodo

Flashaholic**
4 Februar 2017
1.242
2.311
113
Schweiz
Nachdem man diesen Beitrag gelesen hat, möchte man ja am liebsten gleich loslegen mit Anodisieren :thumbsup:

Danke für die Anleitung :thumbup:
 

Horus88

Erleuchteter
19 Dezember 2014
75
110
33
So, kaum 1,5 Jahre Später, wird es meines Erachtens Zeit für ein Update, da ich doch das ein oder andere im Bereich Anodisieren dazugelernt habe.

Primär geht es um die Vorbereitung des Titans und die Frage warum in den Staaten der „Whink Rust Stain Remover“ so oft empfohlen wird. Und ein paar Worte zur Stromquelle gibt’s dann auch noch.

Wer die von mir eingangs beschriebene Prozedur mal getestet hat, wird irgendwann feststellen, dass man nur Bronze, Gold, Blau und Lila Töne erzeugen kann. Ein kräftiges Grün, Pink oder Türkis lassen sich damit nicht erzielen. Auch wirken die Farben oft stumpf/matt.

Als ich den Beitrag Ende 2018 geschrieben habe, ging ich davon aus, das meine 9V Batterien als Stromquelle hierfür ungeeignet seien und nicht genügend Ampere liefern. Das ist allerdings in dem Fall nicht korrekt, schuld hieran ist eine Oxidschicht die sich auf dem Titan bei Kontakt mit Sauerstoff bildet. Diese beeinträchtigt die Anodisierung teils erheblich. Im Netz findet man auch schöne Vergleichsbilder hierzu (Stichwort Titanium anodizing Chart)
Um diese vor dem Anodisieren zu entfernen muss das Titan geätzt werden. In den Staaten wird hierfür eben der Whink Rust Stain Remover genutzt, da dieser Flusssäure beinhaltet (oder z.B. Multi-etch was speziell für Titan gedacht ist). In Europa müssen wir uns hierfür andere Mittel suchen. Was genau überlasse ich jedem selber. Ich möchte hier weder Irgendwelche Chemikalien empfehlen noch irgendwelche Anbieter bewerben. Google wird euch entsprechend weiterhelfen.

Soviel sei aber gesagt, ordentliche Schutzausrüstung und etwas spezielleres Equipment wie z.B. einen Magnetrührer mit Temperaturregelung etc. sind hierfür dann dringend angeraten. Und die Zeiten wo man das abends mal eben auf dem Schreibtisch aufbaut sind damit dann definitiv auch vorbei.

Wenn das Titan allerdings bereits eine Anodisierung (ab Werk) hat, und wir eine höhere (Volt) Farbe haben wollen, kann der Schritt mit dem Ätzen entfallen.


Noch ein Wort den 9V Batterien:

Ich denke für das oben beschriebene Tutorial sind diese OK, da man in der Regel ja nur für ein paar Sekunden die eigentliche Anodisierung durchführt. Ein Labornetzteil ist dennoch eher zu empfehlen. Zum einen fließen hier Teilweise schon recht hohe Ströme (z.B. 2-3A im Bereich 60-80V) und zum anderen sind 9V als Abstufung einfach zu grob. Der Unterschied zwischen einem kräftigen Türkis und einem Grasgrün sind gerademal ~3-5V

Am restlichen Setup habe ich nicht viel verändert, meinem Trinatriumphosphat bin ich treu geblieben nur der „Kathoden Löffel“ bleibt jetzt in der Küche und wurde durch ein Stück Titan ersetzt.
 

Crowley

Flashaholic*
14 November 2018
790
915
93
Nähe Wien
Multietch (bzw ein ähnliches mittel) bekommt man aber auch hier geliefert. Beide haben allerdings den Nachteil das die Lösung erhitzt werden muss damit das entfernen der oxidschicht klappt. Allerdings kann man die Lösung mehrfach wiederverwenden